Auf der ewigen Suche nach dir. Für P.F.




Eine Weile schon sitze ich hier im Schatten eines Kerzenlichtes und kämpfe mit den Tränen. Soeben habe ich deine fast zwanzig Briefe gelesen. Briefe mit einem Gelbstich: die Farbe der Zeit. Das Gegenteil der Liebe –so ist es mir jetzt klar- ist nicht der Hass sondern die Angst. So ist es, wie man der Liebe den Krieg erklärt, ihr ein Bein stellt und sie fallen sieht. Aus Angst. Immer aus Angst.

Ich habe auf deine letzten Sätze gestarrt, sah deine vielen Namensvarianten mit denen du alle Briefe unterschriebst. In einem deiner Letzten, nennst du dich für mich „dein gefallener Engel“. Ich sehe diese Worte, getrübt durch einen Trauerschleier und doch klar genug, dass sich die Buchstaben wie Brandzeichen in meine Gedanken fressen.
Alle Finsterniss gerät in Wallung, wie ein stilles Gewässer in das ein Stein fällt. Dein Umriss formt sich aus den Schatten. Ich denke an dich, wie du in meinem Leben immer nur ein Schatten, ein Gast geblieben bist. Ich habe dich selbst dazu gemacht, indem ich dich jedesmal fand um dich wieder zu verlieren. Es fehlte jede Reaktion. Die Erinnerungen an dich durchziehen meine Seele wie eine unsichtbare Mauer; es ist so schwer nicht an dich zu denken. Du hast mich immer erschrocken und gleichzeitig fasziniert. Ja. Selbstbetrug ist keines meiner dauerhaften Talente. Der Odem von Verlusst und Trauer, von ungeflügelten und gefallenen Engel kommt, weit weg, von dir zu mir. Ein Hauch deiner Existenz, so entfernt von meinem Leben und doch so nahe in mir drin, wie es nur Träume eben wagen. Heute, mit einem Mal weiss ich was ich dir sagen will. Die spontanen Gefühle die ich damals nicht in Worte fassen konnte, stellen sich jezt ein, obwohl ich diese Sprache nicht mehr beherrsche. Und weil ich alle Sprachen der Welt und der Herzen beherrschen wollte (wie arrogant doch meinerseits) , wurde ich Schriftstellerin aus Verzeiflung: um duch geübte Geschicklichkeit alles beim Namen zu nennen, um Frühere Ungeschicklichkeiten entgültig zu verdecken. Ich bin leider so moralisch. Meine Berufung. Ein Streich der Natur, wie mir scheint.

So also, denke ich, sterben dann Geheimnisse.

Ich fühle mich schuldig dafür. Alles was mir Heute einfällt ist die Warheit.

Oh, wie das Leben doch ist! Das Leben holt weisse Tauben aus einem vorerts leeren Zylinderhut und dann auf einmal verschwinden in ihm ein Dutzend Taschentücher die vorher bunt in der Brise winkten.
Oh, ja, das Leben sieht nicht fair aus,jedenfalls nicht aus dieser Perspektive.
Wir liefen uns immer entgegen und dan auseinander.Wie zwei Magnete, die sich anziehen, sich dann aber nahe am Ziel umdrehen und abstossen. Fremde, die aber zusammen gehören weil es im Spiegel des Schicksals geschrieben steht. Eindeutig. Heute will ich all meine Liebe in diese Zeilen legen.

Deine grünen Augen, dein Gesicht, spiegeln sich im Kerzenlicht wieder. Und dies schwebt hell und erleuchtend inmitten der Unendlichkeit. Dein Blick wollten mich immer täuschen. Deine Augen haben es nie getan. Dutzende Male, bei jeder Gelegenheit von neuem. Aber du hast nie vermutet das deine Blicke mich dutzende Male töteten, mich dutzende Male zeugten; mich unsterblich gemacht haben so wie eine Alchimistin. Du hast alles Blei in mir in Gold verwandelt. Du bist das einzige Geheimniss meiner Unsterblichkeit. All die Jahre, hielt dein Blick meine Hand, schrieb meine Geschichte, meine Bücher, mein Verstand. Dabei gehört das alles dir...All die Zeit, hast du mich besessen wie ein Geist. Ein Gespengst mit wunderschönen Augen. Nichts und Niemand kann unsere Kette je durchbrechen. Ein Geist wie ein Edelmann. Der krank wurde durch seine Sensibilität. Der sich selbst nicht im Spiegel anschauen wollte. Ein Tempelritter, wenn auch vom Glauben abgefallen. Gefallen. Nein: für mich bist du ein Lebemann, eine Persönlichleit. Ein Genie, der das Belangen jeder Alchemie haushoch übertreffen kann. Du hast mir mein Herz vergoldet! Damals, bis heute.

Ich frage mich oft, ob du dich nicht fragst wie lange ein Engel wohl fallen soll, bis er vom Himmel auf dem Boden aufschlägt. Bitte. Stell dir diese Frage. Sie ist eben so wichtig, weil du vielen Menschen wichtig bist. Wie wichtig du mir bist, kann ich nur andeuten: es fehlen zu viele Wörter.
Dein Leben hatt immer noch eine Rückwand. Allen die du so viel bedeutest -ein Bischen von dem was du mir bedeutest- haben sie für dich aufgebaut. Du bist immer noch meine Lebensaufgabe. Ich bete jeden Tag für dich. Ich bete und küsse dabei den kalten Boden. Weil ich sonst sehr wenig machen kann. Nicht jetzt, nicht Heute, aber wer weiss: Vielleicht Morgen, ja. Vielleicht aber auch werde ich nie wieder eine Gelegenheit haben. Vielleicht werden dich diese Zeilen niemals erreichen.

Niemand hört wie ich dich rufe. Niemand fühlt wie ich dich spüre: wichtig und unermesslich. Niemand sieht mir zu, wenn ich dich in meinen Gedanken wiedersehe. Allein mit Gott. Zu dritt. Ich geniesse diese Zeit, ich spreche gerne mit dem Allmächtigen über dich. Ich frage ihn, ob das ewige Leben auch mit dir in mir verlaufen wird. Immer in der gleichen Weisse. Voller Gesänge und Licht und der Gnade des Himmels. (Verzeih mir! Ich wollte nicht ironisch werden.)
Ich mag es mit Gott zu reden. Weil er nicht mit Wörtern antwortet, behaltet er Geheimnisse für sich. Ich empfinde das als grosse Gnade und bin dem Schöpfer dankbar.

Im flanckernden Halblicht erkenne ich deine Seele. Unversteckt und nah. Ich selbst schaue in den Spiegel: Der Rahmen ist reich verziert und mit Goldfarbe bemalt. Die Spiegelfläche dagegen ist von dunklen Rissen durchzogen. Wie schwarze Risse teilen sie das Glas in Hunderte von Facetten, ein Spinnennetz aus rasiermesserscharfem Kristall. Mein Gesicht ist im Spiegel gebrochen und verzerrt, eine Grimasse meiner selbst aus gezahnten, spitzen Bruchstücken. Wie versteinert blicke ich mir in zerrissene Augen. Der Kerzenschein fällt von unten geisterhaft gelb ins Gesicht, vertieft die Wangen und Augenhöhlen, hebt die Stirn hervor. Ich ertrage so diesen Anblick nur wenige Sekunden. Wenn ich selbst sehen könnte was ich bin, würde es nichts mehr geben, das mich von der Suche nach dir abbringen könnte. Ich schwöre dir und mir, das ich mich finden werde. Und bitte Gott dass du dich findest, sei dein Spiegelbild noch so verzerrt. Ein Schleier aus Zwielicht legt sich über die Ruinen der Erinnerungen. „Schau“ würde ich dir gerne sagen , jetzt woh ich mich vom Spiegel abwende und den Nachthimmel durch mein verschlossenes Fenster erblicke „Siehst du all die Sterne? Sie reden alle über dich. Für all diese Sterne bist du wichtig. So wichtig wie du deiner Mutter und deiner Familie bist. So wichtig wie du mir bist und Gott.“

Du bist viele Wege gegangen, hast zahllose Richtungen eingeschlagen. Genau wie ich. Und deine grösste Hoffnung dabei war dich selbst zu finden. Genau wie ich. Lass mich dich mit ein wenig Teoretischem langweilen: Nur durch Selbsterkentniss lässt sich der Stein der Weisen gewinnen. Das aurum potabile. Der lapis philosophorum. Die absolute Reinheit. Nur wer sich nicht im Sinne seiner Hexenjäger interpretiert, wird nicht zur Folter gezwungen. Keine Selbsterkentniss weist grundsätzlich auf das Problem aller falschen Alchimisten hin: Das Spiegelbild mag magisch erscheinen, doch wer es seziert, zerstört Äusserlichkeiten und damit den Anschein aller bössen Magie. Alle Ausreden um nicht glücklich zu sein, zerbrechen.

Nun lösche ich bebend die Kerze. Ich ergebe mich zitternd der Gnade Gottes und dem Balsam meiner Träume. Im Dunkel der Nacht träume ich also wieder von dir, wie so oft. Es ist aber keiner der Träume die mich sonst heimsuchen, keine Bilder aus der Vergangenheit von dir. Alles, was ich sehe, ist dein Gesicht des heutigen Tages, ganz gross und leuchtend. Harte Züge, aber viel zu feingeschnitten, umrahmt vom dunklen Haar. Das grün deiner Augen, so klar wie das Meer an Sommertagen, so dunkel dan wieder und mindestens ebenso tief.
Das Gesicht eines Tempelritters beginnt mit einem Gleichnis.
Bitte, kehre zurück zu dir selbst, mein Schein im Finstertal, mein Teil! Kehre zurück zu dir und so zu mir und sei frei!


P.S. Du siehst, ich habe nicht ein einziges Mal deinen Namen geschrieben. Er steht in meinem Herzen, ganz gross. Ich habe in der Welt gelernt, dass es keine bessere Art gibt um ein Geheimniss zu verstecken, als es sichtbar für Blinde zu machen. Und diese die wissen worum es mir geht, werden diese Zeilen zu dir bringen. Ihnen werde ich unendlich dankbar sein.
Die, die diese Wörter Küsst die dich suchen; die, die deine Seele küsst. Die, die dich liebt wie es in der Welt noch nie geliebt wurde
C.


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